Petrus meinte es nicht gut mit der kleinen Gruppe, die sich am Samstag, 11. Juni bei der Wallfahrtskirche Hergiswald traf. Es regnete in Strömen, praktisch den ganzen Tag lang. Wir liessen uns die gute Laune aber nicht verderben und nahmen schnell Zuflucht in der Kirche.

 

Die Kirche ist wirklich fantastisch schön und es gibt so viel zu sehen, dass wir kaum wussten, wo beginnen.

in der Kirche

Zum Glück stand uns mit Michèle Wicki eine kompetente Person zur Verfügung, die uns in die Geschichte und die Geheimnisse all dieser Bilder und Figuren einweihte.

in der Kirche

 

Zuerst erhielten wir einen geschichtlichen Überblick. Vor genau 500 Jahren kam der Eremit Johannes Wagner von der Kartause Ittingen in die Zentralschweiz und fand in Hergiswald den Ort, an dem er bleiben wollte. Sein Vorbild – so nimmt man an – war Niklaus von Flüe, der ganz in der Nähe wirkte. Im Laufe der Zeit wurde aus der einfachen Waldhütte von Johannes Wagner diese schmucke barocke Kirche mit der Loreto-Kapelle – eine Kirche in der Kirche.

Auf diesem Bild kann man sehr schön sehen, dass da ein Haus in der Kirche steht. Der Hochaltar ist die Rückseite des Hauses.

 

Was hat es mit dem Loreto-Haus, bzw. mit der Loreto-Kapelle auf sich? – Die Legende sagt, dass Engel das Wohnhaus der Heiligen Familie 1291, nachdem die Kreuzzüge verloren waren, aus Nazareth wegtrugen und nach Italien nach Loreto brachten. Darum Loreto-Haus. Das Haus wurde sehr bald als Kapelle genutzt und in der ganzen Welt wurden Kopien des Hauses gebaut. Diese Häuser sehen alle gleich aus, haben dieselben Masse, dieselben Fenster, ein Gitter, das die ehemalige Küche vom Rest des Hauses trennt und eine schwarze Madonna.

Kirche mit Loretokapelle

Ein paar Detailbilder des Loreto-Hauses, bzw. des Altars:

 

n der Mitte die Verkündigungszene, links aussen Maria auf der Mondsichel, Anna mit der kleinen Maria auf dem Arm, auf der linken Seite Joachim und Josef. Unter ihnen, etwas kleiner links Erzengel Michael und rechts Erzengel Raphael. Das kleine vergitterte Fenster, ist das Fenster, das zu jeder Loreto-Kapelle gehört – durch dieses Fenster ist Gabriel zu Maria gekommen.

Altar

Die Szene unten zeigt die Geburt von Maria:

Rechts das Gitterfenster! Und die Decke ist blau-golden, genau wie die Kapelle.

Detail Altar

 

 

in der Loretokapelle

Staunen und schauen auch in der Loreto-Kapelle. Hinten das vergitterte Fenster vom Hochaltar.

in der Loretokapelle

 

Die Walfahrtskirche wirkt von aussen viel kleiner als von innen. Wenn man es nicht weiss, kommt man nicht auf die Idee, dass in dieser Kirche ein Haus steht und dazu noch drei Seitenaltäre. Zum Beispiel der Felix-Altar:

Felix-Altar

 

Auch dazu ein paar faszinierende Details:

Am jüngsten Tag steigen die Toten aus ihren Gräbern (in der Mitte, unter den Füssen von Felix)

Jesaja

 

Und im Sockel: so stellten sich die Menschen damals das Fegefeuer vor – man darf noch hoffen…

Fegefeuer

 

und so die Hölle – keine Hoffnung mehr!

Hölle

 

Neben der Felix-Kapelle gibt es noch eine Antonius-Kapelle:

Antonius-Altar

 

und die Liebfrauen-Kapelle, von der ich leider kein gescheites Bild habe. Es gibt auch noch Seitenaltäre, ein Franziskus-Altar und einen Maria-Himmelfahrt-Altar. Man kommt wirklich kaum nach mit Schauen und Bewundern der vielen kleinen Details auf und um die Kapellen und Altäre. Hübsch auch die Kanzel, an den Ecken sind die Kirchenväter Ambrosius, Hieronimus, Gregor und Augustinus dargestellt, in den blauen Feldern die vier Evangelisten und in der Mitte die Heilige Familie.

Kanzel

 

Impostant auch das grosse Kreuz an der Decke. Von vorn der leidende Christus mit Maria und Johannes

Kreuz von vorn

 

von hinten der Auferstandene:

Kreuz von hinten

 

Und dann ist da natürlich der Bilderhimmel! – Die Leute damals konnten nicht lesen, verstanden aber die Bilder. Wir heute können zwar mit Buchstaben etwas anfangen, aber mit diesen Bildern haben wir doch so unsere Mühe!

Bilderhimmel

 

Ausgerichtet sind die Bilder alle auf das grosse Bild, das Maria Himmelfahrt darstellt:

Bilderhimmel Mitte

 

Um all diese Bilder zu erklären brauchte es eine Extra-Führung über mehrere Stunden. Ein paar davon hat Michèle Wicki herausgepickt. Zum Beispiel dieses:

Bienen

 

Bienen umschwärmen den grossen Hergiswalder Bienenkorb, der zum Zeichen der Erhabenheit auf einer Wolke schwebt: OMNIA IN MEL VERTO, «ich verwandle alles in Honig», heisst es dazu.

Für Interessierte: es gibt eine Dokumentation zu diesen Bildern in der Kirche. Man kann sich über jedes einzelne informieren.

Und zum Schluss noch etwas vom wichtigsten: der schlichte Sarkophag von Johannes Wagner. Ohne Johannes gäbe es diese schöne Kirche gar nicht.

Grab von Johannes Wagner

 

Natürlich haben auch andere dazu beigetragen, die Stifterfamilie von Wyl zum Beispiel, ganz speziell Pater Ludwig von Wyl (Kapuziner), der seine Beziehungen zur Ambassadorenstadt Solothurn und den reichen Patriziern in Luzern nutzte, um Geld aufzutreiben, damit aus der kleinen Eremitenkapelle diese schöne Wallfahrtskirche werden konnte. Die Loreto-Kapelle war übrigens eine Stiftung von König Ludwig XIV. Ein königlicher Gesandter aus Solothurn hatte sie vermittelt.

Es gäbe noch viel zu erzählen aus der spannenden Geschichte dieser Kirche, über die Bilder und Statuen und die Künstler, die sie schufen. Ich bin fast sicher, dass Michèle Wicki höchstens einen Bruchteil ihres Wissens loswerden konnte! – Ein guter Grund, den Weg nach Hergiswald wieder einmal unter die Füsse zu nehmen. – Mit Vorteil bei schönerem Wetter, so dass auch der Rosenkranz-Weg, der zur Kirche führt, noch genauer angeschaut und meditiert werden kann!

Es heisst, die Sonnenuhr zählt die heiteren Stunden nur. Trotz Regen waren es heitere Stunden in Hergiswald. Ich hoffe, dass die Uhr an der Aussenwand der Kirche sie gezählt hat!

Sonnenuhr

 

Nach der Besichtigung war natürlich noch nicht Schluss. Auch ein feines Essen gehört zu einem Freundeskreis-Treffen! Im gemütlichen Restaurant gleich neben der Kirche wurden wir aufs beste bedient!

Restaurant

Mittagessen

 

 

Wer gern mehr wissen, noch mehr Bilder anschauen möchte, dem sei empfohlen, selber nach Hergiswald zu pilgern. Oder einen Blick auf die Homepage zu werfen: http://www.hergiswald.ch/home/

Bericht und Bilder (ohne Blitz, darum nicht immer ganz scharf. Leider…): Barbara Fleischmann