Bibel+Orient Museum

Es ist schon feste Tradition, dass der Freundeskreis im Herbst das Bibel+Orient Museum besucht. Dieses Jahr waren wir am 22. Oktober dort und befassten uns mit der Frage, wer oder was ist eigentlich «heilig»?

Es ist ebenso eine Tradition, dass wir zusammen essen. In Fribourg in der Regel im «Le Pingouin».

Mittagessen im Le Pingouin

Nach dem Essen hat es unsere kleine Gruppe – wir waren zu zehnt – doch tatsächlich fertig gebracht, ein Mitglied auf dem Weg zum Museum zu verlieren, was zu einer kleineren Aufregung geführt hat. Schliesslich waren aber alle wieder beisammen und folgten gespannt Florians Ausführungen.

interessierte Zuhörer_innen

Also, was genau bedeutet «heilig» in der Bibel, in Ägypten und im Orient? Im Moment feiern die Juden das Laubhüttenfest (Sukot). Davor war das Neujahr (Rosch haschanna) und der Versöhnungstag (Jom Kipur). Bald folgt in dieser Reihe das Fest der Tora-Freude (Simchat Tora).  – Gibt es bei uns ein Fest, das Bibel-Freude heisst…? – Die Tora ist das erste, das man entdeckt, wenn man das Bibel+Orient Museum betritt. Die Tora, eine Rolle aus Pergament. Heilig? – Ja, denn auf ihr steht immer wieder der Gottesname (JHWH), das wertet das einfache Pergament auf und macht es heilig.

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Niemand käme auf die Idee, eine Tora-Rolle, die nicht mehr gebraucht wird oder alt und brüchig ist, einfach wegzuwerfen. Sie wird bestattet! Auch gibt es in den Synagogen einen extra Raum für die Tora, erklärte uns Florian. Die Heiligkeit der Tora färbt ab, auf die, die sie lesen und studieren («Glücklich der Mann, der Lust hat an der Tora und über sie sinnt Tag und Nacht.» Ps1)

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Eine Wasserkaraffe ist in der Regel eine Wasserkaraffe, ein Tisch ist ein Tisch, bis sie zu liturgischen Zwecken gebraucht werden. Der andere Kontext macht sie zu etwas Heiligem.

Das Heilige kommt nahe, im Opfer (früher) im Gebet (heute). Das Heilige kann man riechen (Rauchopfer, Weihrauch) und sehen: Mose Gesicht leuchtet, ist umgeben von Strahlen, als er vom Sinai zurück kommt mit den Zehn Geboten. Genau deswegen haben einige Figuren so grosse Nasen oder Augen, wie der Beter auf dem folgenden Bild, um das Heilige so besser wahrnehmen zu können.

Beter

Auf dem Bild unten sieht man rechts das Symbol für den Sonnengott und links unten einen Stier, der einen Wagen zieht, das Symbol für den Wettergott. Das Sonnensymbol steht auch für Recht und Gerechtigkeit, der Wettergott war zuständig für den Segen. Auch in der Bibel sind diese zwei Gottheiten zu finden, in Jerusalem kommen sie zusammen, aus dem Sonnengott und dem Wettergott wird JHWH. Auch heute noch singen wir in unseren Gottesdiensten ein Lied, das da beginnt mit «Sonne der Gerechtigkeit». Das Fragment ist ungefähr 5000 Jahre alt.

Wichtige Orte waren früher die Haus- oder Stadttore. Drinnen herrschte Ordnung, war Friede, draussen regierte das Chaos. Auch heute noch haben jüdische Häuser bei der Tür eine Mesusa, einen kleinen Kasten, in dem sich ein Bibelvers befindet. Und wenn jemand hinaus geht, berührt er sie, bittet so um Schutz. In christlichen Wohnungen findet, oder vielleicht besser fand, sich neben der Wohnungstür oft ein Weihwassergefäss, damit die Gehenden gesegnet werden konnten.

Das Bild unten ist aus einem Stadttor. Der abgebildete Wettergott sorgte für Segen, wenn jemand daran vorbeiging.

Ich freue mich immer, wenn Frauen in den Mittelpunkt rücken, zum Beispiel diese Figuren hier. Sie heissen Kedesche, sind ebenfalls Segensfiguren. Die Frauen konnten Leben weitergeben, die Kinder nähren. Sie waren heilig. Neben ihren grossen Brüsten fällt auch das schöne Gesicht auf. Sie sind freundlich, mütterlich, lächelnd, sie strahlen. Wer denkt da nicht an den aaronitischen Segen «Der Herr lasse sein Angesicht leuchten…».

Neben heiligen Figuren, Gegenständen, Menschen gibt es natürlich auch heilige Zeiten – Feste, Feiertage – und heilige Räume. Ein ganz heiliger Ort war früher der Tempel. Nicht jeder durfte da rein, denn das Heilige zu berühren kann auch gefährlich, wenn nicht gar tödlich sein. Darum benutzt der Vorleser in der Synagoge auch heute noch einen Zeigestab und auf keinen Fall seinen Finger, um den zu lesenden Linien zu folgen.

Der Hohepriester ist uns ja schon in früheren Führungen begegnet. Heute weisst Florian ganz besonders auf die 12 Steine auf seinem priesterlichen Gewand hin. Sie stehen für die 12 Stämme Israels. Durch sie werden sie präsent im Tempel.

Wer und was ist heilig?

Mit der Tora wurde das Heilige mobiler. Es war nicht mehr an einen einzigen Ort, den Tempel, gebunden. Und, wie bereits erwähnt, jeder, der sich mit ihr auseinandersetzt wird heilig.

Zuletzt standen wir noch vor diesem Reliquiar. Es hat oben ein Loch und seitlich ebenfalls. Ein Heiliger (oder eine Heilige) war darin bestattet. Um die Heiligkeit weiterzugeben, wurde das Reliquiar mit Öl angefüllt, durch die Berührung mit den Knochen wurde es heilig, es wurde für Salbungen benutzt. Das Heilige verteilt sich so weiter.

Soll ich jetzt definieren, was heilige sein bedeutet, sage ich: Heilig sein heisst erfüllt sein mit Gottesnähe.

Und ganz zum Schluss hatten wir noch Gelegenheit «echt antike» Münzen selber zu prägen. Die auf Münzen abgebildeten Herrscher galten schliesslich auch als heilig.

Florian erklärt, wie der Prägestock funktioniert.

Florian erklärt, wie der Prägestock funktioniert.

und dann gib ihm!

und dann gib ihm!

Es ist jedes mal so, im Bibel+Orient Museum mit Florian, die Zeit fliegt. Zwei Stunden haben wir zugehört, gefragt, entdeckt, und eigentlich haben wir noch lange nicht genug… Was ich hier aufgeschrieben habe, ist, wie immer, nur Fragment. Wenn du diese fantastischen Nachmittage auch erleben willst, komm nächstes Mal einfach mit! Voraussichtlich sind wir im Januar 2018 wieder in Fribourg und besuchen zusammen mit Florian die Ausstellung zum Thema «Engel», die Ende November 2017 eröffnet wird.

Bericht und Bilder: Barbara Fleischmann

Bibel+Orient Museum
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aufmerksame Zuhörer_innen
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der Pharao hält seinen Feind beim Haarschopf. - Er bändigt das Chaos
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göttliche Figuren
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Schlangen - Vorgänger der Serafim
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Münzen prägen ist nicht so einfach
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aber (fast) alle wollen es versuchen
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