21. August 2020

Am wohl heissesten Tag des Sommers 2020 trafen wir uns in Rapperswil um gemeinsam die Insel Ufenau zu erkunden.

Treffpunkt war – wie immer – ein Restaurant, wo wir zuerst einmal gemeinsam Zmittag assen und Zeit hatten, zu plaudern und, wen wundert’s, Corona-Erfahrungen auszutauschen.

Nach dem Mittagessen machten wir uns auf den Weg zum Schiffssteg, wo wir Markus Thurnherr trafen. Er ist seit über 30 Jahren Stadtführer in Rapperswil und Inselführer auf der Ufenau. Davor, bzw. daneben war er Sek-Lehrer in Rapperswil und lange Jahre auch Stadtarchivar. Es gibt (fast) nichts, das er nicht weiss über Rapperswil und die Ufenau!

Warten aufs Schiff

Tschüss Rapperswil!

Hallo Ufenau!

Die Insel Ufenau ist die grösste Insel der Schweiz und wir erfuhren gleich zu Beginn, wie sie entstanden ist. Sehr anschaulich weiss Markus Thurnherr zu schildern, wie ein Gletscher die Landschaft formte, die Bergketten entstanden, die Täler, die Seen und eben auch die Insel Ufenau.

unter uns war mal ein Friedhof

Auf der Insel gibt es zwei kleine Kirchen, St. Peter und Paul und St. Martin. Die Wiese vor der Kirche St. Peter und Paul diente viele Jahre als Friedhof. Die Insel war das kirchliche Zentrum von Pfäffikon bis Wädenswil und auf der anderen Seeseite von Feldbach über Stäfa bis Erlenbach. Die Leute kamen für Taufen, Hochzeiten, und eben auch Beerdigungen auf die Insel. Es gab noch keine Pfarreien, wie wir sie heute kennen. Bis einmal an Weihnachten ein Unglück geschah. Der See war zugefroren, die Leute wollten zu Fuss zur Christmette auf die Insel. Aber das Eis trug nicht überall, 50 Leute starben in jener Nacht. Darauf beschloss das Kloster Einsiedeln, Pfarreien zu bilden, damit die Leute nicht mehr den nicht immer ungefährlichen Weg zur Insel machen mussten.

St. Peter und Paul (Bild von einem früheren Ausflug, im Moment ist die Kirche eingerüstet)

Frauen spielten immer wieder wichtige Rollen in  der Geschichte der Insel. Eine reiche Adlige, Beata, vermachte nämlich 714 die Insel Ufenau, zusammen mit der Nachbarinsel Lützelau dem Kloster St. Gallen. In diesem Jahr wird die Insel auch zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Sie hiess damals noch Hupinauia. Mit ein bisschen Fantasie wird daraus schon Ufenau… Die Schreibweise Ufenau findet Markus Thurnherr übrigens die richtigere, weil es eben ursprünglich Hupinuauia hiess und nicht Hupnauia. Das Kloster Einsiedeln nennt seine Insel Ufnau. Aber darüber werden sich wohl Sprachwissenschaftler noch eine Weile streiten…

Reginhilde

Adelrich

Eine weitere wichtige Frau: Reginhilde, eine reiche Witwe, die nach zwei Ehen nicht ein drittes Mal heiraten wollte. Sie trat ins Kloster Fraumünster in Zürich ein und wurde dort Äbtissin. Nachdem sie aber krank wurde, sie litt an Aussatz, musste sie das Kloster verlassen und zog auf die Insel Ufenau. Sie liess an Stelle eins verfallenen römischen Tempels die erste Kirche bauen. Ihr Sohn Adelrich, Beneditkinermönch aus Einsiedeln, lebte mit ihr auf der Insel. Beide blieben dort bis zu ihrem Tod. Von Adelrich wird gesagt, dass der Kranke heilte, Wunder tat und sogar übers Wasser gehen konnte. Er wurde später heilig gesprochen.

Kaiser Otto der Grosse schenkte die Insel 965 dem Kloster Einsiedeln, zusammen mit weiteren Gütern. Wie genau die Insel in den Besitz von Kaiser Otto kam, wisse man nicht, erzählte Markus Thurherr. Und dass diese Schenkungen nicht einfach nur Grosszügigkeit waren, fügte er gleich auch noch hinzu. Vom Kloster wurde als Gegenleistung erwartet, dass es die Handelswege überwachte. Da es nicht überall Kirchen oder Klöster gab, bauten sie möglicherweise Wachtürme oder Häuser an strategisch wichtigen Orten. Und weil es den Mönchen offenbar an Fantasie mangelte, erhielten diese Orte keinen Namen, sie wurden einfach durchnummeriert: Primo, Secondo, Terzo, Quarto, Quinto… spätestens hier fiel wohl bei allen der Groschen, alle kennen Quinten, Quarten und UnterTerzen am Walensee! So also kamen diese Orte zu ihren Namen: fantasielose Mönche 🙂

Wandbild

Selbstverständlich warfen wir auch einen genaueren Blick auf die Wandbilder in der Kirche. Es ist aber nicht so einfach zu erkennen, was genau da dargestellt wird. Die bösen Gestalten rechts im Bild könnten die beiden Diebe sein, die den heiligen Meinrad erschlagen haben. Und ganz links (nicht im Bild)  sind wohl die Martyrien der Apostel dargestellt. Man müsste länger Zeit haben (und bessere Augen!) um das genauer zu studieren.

St. Martin

 

 

 

 

 

 

 

In der Kirche St. Martin befindet sich der Sarkophag von Adelrich und momentan läuft da gerade eine Video-Präsentation über die Künstler, deren Werken wir auf der Insel immer wieder begegneten. Vor allem die Holzfiguren haben es mir angetan. Ein paar Bilder findest du ganz unten in der Bildergalerie.

Eine weitere wichtige Person auf der Insel war Ulrich von Hutten. Ein Humanist, der sich mit seiner Kritik an der Obrigkeit und der Kirche unbeliebt machte und dafür verfolgt wurde. Er bat Erasmus von Rotterdam um Asyl in Basel, dieser schickte ihn weiter zu Huldrych Zwingli nach Zürich. Zwingli war, bevor er nach Zürich kam, Leutpriester in Einsiedeln. Er liess seine immer noch vorhandenen Beziehungen spielen, und der inzwischen todkranke Ulrich von Hutten durfte sich auf die Insel zurückziehen und dort in Ruhe sterben. Lange war nicht ganz klar, wo er begraben wurde. Bei einer Renovation 1959 glaubte man sein Skelett gefunden zu haben. Es wurde unter einer Grabplatte neben der Kirche St. Peter und Paul bestattet. Knappe 10 Jahre später fand man ein weiteres Skelett, diesmal nachweislich die richtigen Überreste von Ulrich von Hutten. Sie wurden ebenfalls unter der Grabplatte bestattet, so dass dort nun der richtige und ein falscher von Hutten begraben sind. Zur Bestattung sind übrigens Nachfahren von Hutten extra aus Deutschland angereist. Sie haben den Kirschbaum, der neben der Kirche wächst, gestiftet!

Zum Abschluss der Führung gehen wir noch ein Stück auf dem Inselrundweg und erhalten Informationen zur Flora und Fauna der Insel. Damit die Insel nicht zu sehr erodiert, werden am Ufer umgestürzte Bäume liegen gelassen, bzw. extra hingelegt.

Ob es nützt, sei nicht ganz klar, aber schaden tut’s auf jeden Fall nicht. Auf der Insel leben Vögel, Ratten und Mäuse und im Sommer Kühe, denn ein Teil der Insel wird landwirtschaftlich genutzt. In früheren Zeiten wurde auch versucht, auf der Insel Hasen oder Kaninchen auszuwildern um mit der Jagd etwas Geld zu verdienen. Beides hat nicht wirklich funktioniert, die Tiere sind im Winter, bei gefrorenem See ausgebüxt und dorthin verschwunden, wo sie herkamen. Nach diesen missglückten Experimenten wurden keine weiteren Tiere mehr auf die Insel gebracht.

Und ganz zum Schluss lockte das gemütliche Restaurant, wo eine weitere wichtige Insel-Frau wirkt: die Wirtin Rösli  Lötscher 🙂 Alle lechzten nach einem kühlen Getränk bevor es mit dem Schiff wieder zurück nach Rapperswil oder Richtung Zürich ging.

Es waren erlebnisreiche zwei Stunden! Wir haben viel gelernt von der Eiszeit übers Mittelalter bis in die Gegenwart. So lebendig kann Geschichte sein! Ein ganz herzliches Danke an Markus Thurnherr, ein genialer Inselführer und Geschichtenerzähler!

Bericht und Bilder:  Barbara Fleischmann

 

 

Im Restaurant Rosenstädter
Im Restaurant Rosenstädter
beim Schiffssteg
beim Schiffssteg
einsteigen bitte!
einsteigen bitte!
auf dem Schiff
auf dem Schiff
Markus Thurnherr
Markus Thurnherr
aufmerksame Zuhörer_innen in der Kirche
aufmerksame Zuhörer_innen in der Kirche
Blick ins Beinhaus
Blick ins Beinhaus
Kunstwerk von Daniel Eggli
Kunstwerk von Daniel Eggli