Besuch bei Albert Gasser am 9. März 2019

An der Mitgliederversammlung 2018 wurde von einem Mitglied der Wunsch geäussert, der Vorstand solle doch wieder mal «etwas Theologisches» organisieren. Und da unser treues Ehrenmitglied, Prof. Dr. Albert Gasser an jener Mitgliederversammlung anwesend war, folgte die Anfrage, ob er bereit wäre, uns sein neuestes Buch vorzustellen, grad vor Ort. – So ist Vorstandsarbeit wirklich einfach und ein wertvoller Anlass mit hochkarätigem Referenten rasch organisiert!

Es ist zwar schon wieder eine Weile her, seit das Buch erschienen ist – im Frühling 2017 – aber der Andrang für dieses Treffen war trotzdem gross. 30 Leute haben sich angemeldet, doppelt so viele, wie ursprünglich erwartet! Die allermeisten unserer Mitglieder haben die Kirchengeschichtsvorlesungen bei Albert Gasser eben noch in allerbester Erinnerung, und schätzen seine Art zu referieren und zu schreiben (so, dass man es auch versteht, eine Kunst, die längst nicht alle Professoren beherrschen). Darum ist es ja eigentlich nicht verwunderlich, dass so viele den Weg nach Sarnen unter die Füsse nahmen.

Das Gesellige gehört bei unseren Treffen immer dazu, darum gab es zuerst einmal einen vom Verein spendierten Apéro und dann ein feines Mittagessen. Die Getränke dazu wurden von Albert Gasser offeriert, eine grosszügige Geste! Darum hier noch einmal ein ganz herzliches Danke!

Nach dem Essen ging’s dann aber los mit der Annäherung an die Gottesfrage. Es ist ein schmales Büchlein, aber mit gewichtigem Inhalt. Die eine und andere Passage liest uns Albert Gasser vor, dazwischen ergänzt er frei und fasst zusammen, so dass in etwas mehr als einer Stunde (fast) das ganze Büchlein besprochen wird.

Die Frage nach Gott hat die Menschheit wohl immer schon beschäftigt, grosse Philosophen und Theologen haben sich dazu geäussert, und einige ihrer Gedanken beeinflussen uns bis heute. Von Aristoteles über Thomas von Aquin bis zu heutigen Theologen kommen im Buch einige zu Wort.

Nicht immer war es selbstverständlich, dass man über Gott und den Glauben frei reden durfte – man denke an die Inquisition im «finsteren Mittelalter», das gar nicht so finster war, wie sicher alle wissen, die bei Albert Gasser Kirchengeschichte gehört haben – aber seit der Aufklärung sind die Gedanken frei, auch in Sachen Gottesfrage.

Gibt es Gott? Oder doch nicht? Was bedeutet Glaube? Das der Inhalt eines weiteren Kapitels. Glaube bedeutet nicht einfach für wahr halten, was man nicht einsieht, nicht erklären kann. Gott ist kein Lückenbüsser für unser Nichtwissen oder Nichtverstehen. Glauben hat mit Vertrauen zu tun.

«Der Glaube an Gott fordert einen Entschluss heraus, einen willentlichen Akt, einen Sprung ins Risiko…. Glauben ist auf jeden Fall eine spezielle Form des Denkens und Überlegens, des Empfindens und Fühlens. Am besten lässt sich das mit der Erfahrung der Liebe vergleichen. Ich kann an einem Menschen vieles sympatisch und ansprechend finden… Die Liebe aber lässt sich nicht durch Addieren verschiedener positiver Elemente herbeiführen, geschweige denn zwingen. Die Liebe ist nicht etwas, das noch dazukommt, sondern eine ganz andere Dimension.» (S. 58 ff).

Und über die Liebe kommt Albert Gasser zum nächsten Kapitel «die Frage nach Gott angesichts des Todes Jesu». Die Theodizee-Frage – die Frage, wie der gütige Gott und das Böse zusammengehen – die wohl alle immer mal wieder umtreibt.

«Der schreckliche Tod Jesu offenbart, dass Leiden und Sterben in Gott selbst präsent sind. Gott ist angesichts des menschlichen Leidens nicht bloss mitleidiger Zuschauer, was eher zynisch wäre, sondern Jesus erfährt Leiden und Tod persönlich bis in den Abgrund von Gottverlassenheit. Diese Aussage ist genuin christlich und ohne Parallelen in Gottesvorstellungen anderer Religionen», sagt Albert Gasser, das wichtigste seiner Ausführungen zusammenfassend.

Ich habe im Studiengang Theologie einiges zur Theodizee-Frage gelesen (lesen müssen), wie wohl die meisten unserer Mitglieder auch, und habe kaum einmal eine wirklich befriedigende Antwort gefunden. Was aber Albert Gasser dazu schreibt, ist für mich etwas vom Plausibelsten, das für mich am ehesten «Glaubbare», das ich dazu gelesen habe. Darum kann ich nur empfehlen, das Büchlein doch zu erstehen und selber nachzulesen. Es lohnt sich! (Angaben zum Buch ganz unten.)

Ein weiteres Kapitel befasst sich mit theologischen Altlasten. – Was jetzt in diesem Bericht als ziemlicher Bruch zwischen den Abschnitten daher kommt (Theodizee – Altlasten), ist im Büchlein  fliessend. Da passt eines zum andern zum nächsten…

Die theologischen Altlasten haben wir zu einem schönen Teil dem Kirchenvater Augustinus zu verdanken. Stichwort Limbus – heute zum Glück kein Thema mehr. Oder Erbsündenlehre – bis heute verseucht sie die Einstellung der Kirche zur Sexualität!  Oder überhaupt Sünde: der Mensch ist nicht so grundsätzlich schlecht, wie Augustinus oder auch Luther ihn sehen (S. 94). Man muss einen Menschen nicht zur Schnecke machen, damit er von Gott erlöst werden kann! Dass Augustinus nicht nur schlecht ist, ist da ebenfalls zu lesen. Polemik ist nicht Albert Gassers Sache!

Das letzte Kapitel wird nochmal richtig philosophisch. Warum ist etwas und nicht nichts? Eine Frage, die ihn viel beschäftige, meint Albert Gasser. Keine Wissenschaft hat bis jetzt darauf eine Antwort gefunden! Der Streit zwischen Wissenschaft und Religion wird in diesem Kapitel angesprochen und aufgezeigt, wie unsinnig er ist! Einstein soll gesagt haben, dass Wissenschaft ohne Religion lahm sei und Religion ohne Wissenschaft blind (S 111).

Ich möchte abschliessend meinen unvollständigen Bericht  mit einem Wort von Klaus Merz, den Albert Gasser zitierte, zusammenfassen:

«Für uns ist Gott Luft. Wir atmen ihn ein»

Nach einer kurzen Murmel-Runde mit unseren Nachbarn war auch Gelegenheit, Albert Gasser noch Fragen zu stellen. Eine Möglichkeit, die für einmal nicht so rege genutzt wurde. Möglicherweise ging es anderen genauso wie mir: ich musste das alles erst einmal verdauen, dann erst kann ich darüber reden und fragen. Obwohl ich das Buch ja schon kannte. Es hat mich angeregt, mich mit meinem eigenen Gottesbild zu befassen. Wer ist Gott für mich? Was bedeutet er (sie!) für mich? Wie begegne ich ihm (ihr)? Sehr anregend! Herausfordernd! – Ich wünsche allen, die sich mit Albert Gassers Buch beschäftigen, ähnliche Erfahrungen!

Albert Gasser: Mit Philosophen und Theologen denken und glauben

Edition NZN bei TVZ
2017, 127 Seiten, 12.5 x 20.0 cm, Paperback
ISBN 978-3-290-20140-1

Bericht und Bilder: Barbara Fleischmann

Interessierte Zuhörer_innen
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Herzlichen Dank!
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