Lassalle-Haus

Samstag, 25. März 2017

Zur diesjährigen MV trafen wir uns im neu renovierten Lasalle-Haus in Edlibach. 36 Mitglieder – so viele wie noch nie – fanden den Weg ins wunderschön gelegene Bildungshaus und kamen bei Kaffee und Gipfeli schnell ins Gespräch.

Mitgliederversammlung

Der offizielle Teil der Mitgliederversammlung ging wie immer zügig über die Bühne. Das wichtigeste in Kürze: Nelly Brandt tritt als Revisorin zurück, neu konnten wir Marie-Therese Jöhri gewinnen, sie wurde mit Applaus gewählt. Zudem haben wir Florian Lippke, unseren langjährigen Freund und Begleiter im Bibel+Orient Museum, Fribourg zum Ehrenmitglied gewählt. Um unsere Finanzen steht es so gut, dass wir nächstes Jahr wieder eine zweitägige MV organisieren können. In unserem Jahresprogramm sind vorläufig «nur» 3 Anlässe geplant, was sich aber noch ändern kann, wenn sich noch etwas ergibt. Vorschläge nimmt der Vorstand jederzeit gern entgegen! Das ganze Protokoll findest du hier.

Nach der Versammlung blieb noch Zeit die wunderschöne Umgebung des Lassalle-Hauses zu erkunden und die Sonne zu geniessen, bevor wir uns zum Mittagessen wieder trafen.

En Guete!

Vortrag von Christian Rutishauser SJ

Wer mich kennt, weiss, wie ungern ich solche Vorträge zusammenfasse. Ich werde dem Referenten und den Themen nie wirklich voll gerecht. Darum bin ich jeweils froh, wenn ich ein Manuskript erhalte oder – wie in diesem Fall – die Powerpoint-Präsentation zu «Refomation und Judentum»,  die ich zur Verfügung stellen darf, so dass alle die Stichworte nachlesen können.

Zuerst stellte Alois Christian Rutishauser aber kurz vor und erwähnte einige seiner Bücher, die kürzlich erschienen sind, z.B. «Ein Jude und ein Jesuit», das Christian Rutishauser zusammen mit Michel Bollag geschrieben hat. Oder das allerneuste, an dem er mitgearbeitet hat: «Abba bis Zorn Gottes», das das wichtigste enthält, was ein Christ über das Judentum wissen sollte.

In seinem spannenden Vortrag spannt Christian Rutishauser den Bogen von der Reformation zum Judentum, von Luther zu Ignatius von Loyola, vom Gestern zum Heute. Martin Luther und Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, haben praktisch zeitgleich gelebt. Es sei aber eine Mär, dass der Jesuitenorden zur Bekämpfung der Reformation gegründet wurde. Zu Beginn wurden die Jesuiten sogar für Lutheraner gehalten, weil sie ebenfalls die Missstände in der Kirche anprangerten und Reformen wollten.

P. Rutishauser erklärt, dass es keine Reform des Christentums geben könne, ohne dass nicht auch das Judentum betroffen sei. Christliche Glaubensvertiefung ging immer auf Kosten des Judentums. Schon in der Bibel sei das zu beobachten, z.B. im Hebräerbrief. Es brauche das Alte nicht mehr, den Tempeldienst etc. Schon damals hätten die Juden im Heilskonzept der Christen kaum mehr Platz gehabt.

Evangelische Reform: Martin Luther

Wenn das Evangelium wieder hell leuchtet, werden die Juden von selber an Jesus glauben. Wenn Luther die Kirche gereinigt hat, werden die Juden sich bekehren. So dachte der Reformator.  Als sich dies als falsch herausstellte, schrieb er ein Buch «Von den Juden und ihren Lügen» – man soll sie vertreiben, töten, etc. Wenn sie sich nicht bekehren, wenn sie nicht sehen, dann fort damit. Zuneigung schlug in Hass um. Luther wird zu einem der grössten Antijudaisten der Reformation.

katholische Reform: Ignatius von Loyola

Wenn Luther nach oben ausschlug, dann Loyola nach unten. «Wie gerne wäre ich jüdisch, dann wäre ich nicht nur dem Geiste, sondern auch dem Blute nach mit Jesus verwandt», so dachte Loyola. Er war sogar im Gefängnis wegen «Judaisierung». Ende des 15. Jahrhunderts wurden 300’000 Juden aus Spanien vertrieben. Dort hat die Inquisition ihren Ursprung.

Lehre der doppelten Schutzherrschaft

Die katholische Kirche habe nie die Verfolgung der Juden gelehrt. Es galt die Lehre der doppelten Schutzherrschaft: Obwohl der Unglaube der Juden in vieler Hinsicht zu verurteilen sei, dürfen sie von den Gläubigen nicht verfolgt werden, wird doch durch sie unser Glaube erst wirklich bestätigt. Sie sind Schutzbefohlene, man darf nicht Hand an sie legen! So Papst Innozenz III im Jahr 1199 – kurz: das «Dunkel» der Juden braucht es für das Licht der Kirche…

Vatikanum II

Es gelinge dem Menschen fast nicht, etwas Positives zu sagen, ohne andere abzuwerten. Als Beispiele nannte er Zürcher und Basler, Geist und Körper, Schwule und Heteros, Arbeiter und Akademiker… die Liste  liesse sich endlos fortsetzen.

Es brauchte die Shoa, bis wir endlich eine Reform hatten, die nicht auf Kosten der Juden ging. Im Vatikanum II wurde in «Nostra aetate» gesagt, dass nichts abzulehnen sei, was in anderen Religionen wahr und richtig ist, und die Juden wurden als unsere älteren Brüder und Schwestern bezeichnet.

Auch die unsägliche Karfreitagsfürbitte wurde thematisiert. Sie wurde im Vatikanum II revidiert, aber unter Benedikt XVI, gab es einen Rückschritt, er erlaubte den Tridentinischen Ritus wieder, es wurde wieder für die Bekehrung der Juden gebetet.

Christian Rutishauser zeigte auch auf, dass wir bis heute nicht vor antisemitischen Formulierungen gefeit sind. Zum Beispiel im «Schweizer Hochgebet» heisst es: «Einst hast du Israel, dein Volk, mit starker Hand durch die weglose Wüste geleitet. Heute führst du deine pilgernde Kirche in der Kraft des Heiligen Geistes». Besser wäre: «Einst hast du Israel, dein Volk, mit starker Hand durch die weglose Wüste geleitet. Auch heute führst dein Volk Israel und deine pilgernde Kirche in der Kraft des Heiligen Geistes.» Ein kleiner Unterschied und doch so gross!

Auch im liturgischen Jahr gibt es Antisemitismus: so ist im Weihnachtsfestkreis das Fest der Beschneidung Jesu weggefallen, dafür ein weiteres Marienfest eingefügt worden (1. Januar). Eine Kommission im Vatikan wollte das rückgängig machen, bis heute aber erfolglos.

Erfreulich hingegen ist die Einführung des «Tag des Judentum», der bei uns in der Schweiz jeweils am 2. Fastensonntag gefeiert wird.

In gut eineinhalb Stunden haben wir enorm viel gehört und gelernt. Es war spannend und vieles – zumindest für mich – neu! Ein herzlicher Dank an Christian Rutishauser, dass er sich die Zeit genommen hat. Nach dem Vortrag nahm er sich noch Zeit für Fragen aus der Runde, musste dann anschliessend gleich weiter zum Flughafen und nach Israel.

_____________________________

Im Januar-Heft «Stimmen der Zeit»  ist ein interessanter Beitrag von P. Christian Rutishauser zum Thema Reformation und Judentum. Das ganze Heft kann hier bestellt werden.

Beim Begrüssungskaffee
Beim Begrüssungskaffee
warten bis es los geht
warten bis es los geht
entspannen an der Sonne
entspannen an der Sonne
beim Mittagessen
beim Mittagessen
Verdauungsschwatz an der Sonne
Verdauungsschwatz an der Sonne
vor dem Vortrag
vor dem Vortrag
der Laptop «tut» nicht...
der Laptop «tut» nicht...