Samstag, 14. Mai 2022

Zur diesjährigen Mitgliederversammlung trafen wir uns im Hotel Restaurant Engimatt in Zürich. Wie immer begannen wir mit einem Begrüssungskaffee, die einen im Foyer, die anderen genossen schon den herrlichen Frühsommertag im Garten.

Im Foyer

Im Garten

Mitgliederversammlung

Für den offiziellen Teil der MV begaben wir uns dann aber in ein Sitzungszimmer, wo uns Alois in gewohnt zügiger Manier durch die Traktanden führte.

Es ist diesmal sehr schwierig, das wichtigste zusammenzufassen, einfach, weil es eigentlich nichts sonderlich wichtiges zu besprechen gab, unter anderem auch, weil es nur ein halbes Jahr her ist, seit der letzten MV. Corona hat unser Vereinsprogramm durcheinander gebracht! Zu erwähnen ist sicher, dass wir so „reich“ sind, wie noch nie mit einem Vermögen von etwas über 15’000 Franken. Auch das zum Teil wegen Corona, wir hatten die letzten beiden Jahre wenig Gelegenheit Geld auszugeben. Wir werden das hoffentlich in den nächsten Jahren wieder ändern und unsere Mitglieder wie gewohnt zu Ausflügen, Führungen und Apéros einladen. Die erfreulichen Zahlen wurden von Alois präsentiert, denn unsere Kassierin musste gestern notfallmässig ins Spital – auf diesem Weg herzlich gute Besserung!

Ivan liest den Revisorenbericht

Das Protokoll kann hier abgerufen werden. Der Jahresbericht unseres Präsidenten ist diesmal nicht nur ein Jahresbericht, er beinhaltet eine kleine Vereinsgeschichte, denn wir feiern ja dieses Jahr 40 Jahre Freundeskreis. Wie gewohnt hat der Bericht einen biblischen Bezug, diesmal zur Zahl 40, die in der Bibel x-mal vorkommt, von der 40tägigen Sintflut bis zu den 40 Tagen zwischen Ostern und Himmelfahrt. Eine wichtige biblische Zahl!

Apéro und Mittagessen

Nach der knapp einstündigen Versammlung zog es alle in den schönen Garten, wo wir bei einem Glas Prosecco auf unseren 40jährigen Verein anstossen konnten und danach ein feines Mittagessen genossen.

Zerrissen zwischen Nächsten- und Fernstenliebe

Globalethische Fragestellungen rund um die neuen politischen Unsicherheiten, Flüchtlingshilfe und Weltarmut.

Unser heutiger Gast, Michael Hartlieb, ist Sozialethiker, Leiter Grundbildung am TBI (Nachfolger von Felix Senn) und so drängte sich ein ethisches Thema für unsere MV quasi auf. Zuerst lag der Fokus etwas anders, als dann aber Ende Februar die Welt plötzlich eine andere wurde, der Krieg in der Ukraine und die vielen Flüchtlinge uns zu beschäftigen begannen, entschlossen wir uns (der Vorstand zusammen mit Michael Hartlieb), das Thema den neuen Realitäten anzupassen.

Ich habe damals in einem Mail an Michael meine Fragen so formuliert: «In meinem Bekanntenkreis kommen solche Themen immer wieder. Und immer plagen die Leute – und auch mich – das schlechte Gewissen. Denn „man“ könnte schon noch etwas näher zusammenrücken, aber dann ist einem die Privatsphäre eben doch heilig(er), die eigenen Ängste und Unsicherheiten zu gross, das Portemonnaie zu klein, etc. etc.

Und was ist mit all den anderen Flüchtlingen, die ja auch aus Kriegsgebieten kommen? Die ständig um alles kämpfen, die nicht arbeiten dürfen, die abgeschoben werden, etc. Gibt es nun zwei verschiedene „Klassen“ Flüchtlinge? Ist das nicht rassistisch?»

Michael Hartlieb machte gleich zu Anfang klar: Lösungen werde er nicht präsentieren, sondern Möglichkeiten aufzeigen, wie wir über solche Sachen nachdenken können um selber zu einem Urteil zu kommen. Also sehen – urteilen – handeln!

Und wie fast immer versuche ich gar nicht erst, hier eine Zusammenfassung des Vortrags zu machen, sondern schreibe auf, was bei mir hängengeblieben ist. Freundlicherweise stellt uns Michael Hartlieb seine Folien als pdf zur Verfügung, so kann jede/r selber nochmal nachlesen.

Als erstes beeindruckt die Weltkarte mit den Konfliktgebieten. So viele! Und so ungerecht verteilt! Wir leben bei uns sehr sicher, so im Vergleich zu Afrika oder Südamerika!

Es sind auch nicht «nur» Kriege, die für Flüchtlingsströme sorgen, sondern auch Umweltkatastrophen, der Klimawandel, etc. Wir leben in einer globalen Welt. Die Krisen sind global, wir können nicht sagen, dass sie uns nichts angehen, nur weil sie weiter weg stattfinden. Es ist unmöglich geworden, Krisen lokal zu lösen. Es braucht globale Lösungen. Und es gibt durchaus Organisationen, die sich dieser globalen Krisen annehmen: UNO, Unesco, Unicef, WTO, Internationaler Gerichtshof, UN-Klimakonferenzen, und so weiter. Das Problem: sie funktionieren nicht so, wie sie sollten! So vieles basiert auf Vertrauen, Selbstkontrolle und Freiwilligkeit, es existieren Abhängigkeiten, die Macht ist ungleich verteilt.

Und jetzt? Was hat das mit mir zu tun? Was kann ich kleines Menschlein in diesem ganzen Getriebe überhaupt ausrichten? Ich kann ja schliesslich auch nichts dafür, dass Russland die Ukraine angreift! – Bin ich trotzdem zur Hilfe verpflichtet, und wenn ja wie weit?

Michael Hartlieb wird philosophisch, Kant kommt ins Spiel mit seinem kategorischen Imperativ. Ich hab’s nicht so mit den Philosophen, aber daran kann ich mich erinnern: «Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.» Etwas einfacher: «Was du nicht willst, das man dir tu‘, das füg auch keinem andern zu.» Oder christlich: «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.»

Andere Philosphen kommen ins Gespräch, Thomas Pogge zum Beispiel oder Peter Singer und  David Miller, die uns zum einen zur Verantwortung verpflichten, wir müssen helfen! Aber andererseits auch betonen, dass wir auch zu uns selber schauen müssen. Spätestens jetzt wäre es wohl gut, einen Blick ins pdf zu werfen und selber nachzulesen, wer was warum so philosophiert…

Im pdf gibt es auch dieses Bild mit den konzentrischen Kreisen: ich – meine Familie – mein weiteres Umfeld (Nachbarschaft, Arbeitsplatz, Verein, etc.) – der Staat. Jemandem, der mir nahe ist, aus der Familie, dem helfe ich viel selbstverständlicher, weil er oder sie eben mein Nächster ist. Bei jemandem von weit, weit weg ist das extrem viel schwieriger. Ich muss sie oder ihn zuerst zu meinem/meiner Nächsten machen! Das tönt einfach, ist es wohl aber nicht immer. Dafür aber ist das sehr logisch!

Michael Hartliebs Fazit: wir müssen nicht hier und jetzt alles hergeben um die Krisen der Welt zu lindern, aber wir können überlegen welche Politik wir wählen, was wir einkaufen, wohin wir in die Ferien fahren, wem wir was spenden, etc. Wir sollen umsichtig tun, was wir tun können ohne uns zu überfordern. Denn es heisst: Liebe deinen nächsten, wie dich selbst. Wie dich Selbst!

Und, was ebenfalls noch hängen geblieben ist: ethisch handelnde Menschen leben glücklicher, zufriedener. Unethische Menschen müssen wohl irgendwann feststellen, dass sie ein sinnloses Leben führen. Schon darum lohnt es sich doch, andere zu meinen Nächsten zu machen und zu tun, was in meinen Kräften steht!

Bericht und Bilder:
Barbara Fleischmann

Weitere Bilder: