16. November 2019

Die meisten wissen es: wir pilgern seit 2010 (fast) jedes Jahr einmal ins Bibel+Orient Museum. Dieses Jahr lockt eine Ausstellung zum Thema Wallfahrt.

 

Und wie immer, pilgerten wir zuerst in ein Restaurant, um uns für den Nachmittag zu stärken. Diesmal waren wir im Gemelli. Eine gute Wahl!

 

 

 

Das kleine Museum bekam für die Dauer der Ausstellung eine ganz andere Einrichtung. Es soll nicht möglichst viel gezeigt werden, sondern das wichtigste soll im Zentrum stehen. Darum wurden viele Schaukästen abgedeckt, nur je einer zeigt die wichtigesten Objekte zum Thema.

Was auch sofort auffällt: an Stelle der Tora, die normalerweise beim Eingang ausgestellt ist, hängen diesmal viele Bilder mit verschiedenen Pilgerszenen aus allen möglichen Religionen. Gepilgert wird nämlich fast überall. In jeder Religion wird die Nähe zum Göttlichen gesucht, in jeder Religion fragen sich Gläubige wo sie stehen, wohin sie wollen und wie sie da hin kommen. Sie pilgern!

Florian wäre nicht Florian, wenn er uns nicht sogleich auf neue Zusammenhänge aufmerksam machen würde. Drei Bilder nimmt er ins Visier, eines zeigt einen Juden mit einem Palmzweig am jüdischen Festtag Sukkot, der im Herbst gefeiert wird.

Sukkot

Daneben ist ein Bild zu sehen vom ebenfalls jüdischen Fest Simchat Tora, das Freudenfest der Tora, also die Feier des Wortes Gottes, das eine Woche später gefeiert wird.

Simchat Tora

Das dritte Bild ist vom christlichen Palmsonntag, der im Frühling gefeiert wird.

Palmsonntag in Jerusalem

Daraus folgt: Jesus ist möglicherweise im Herbst, zum Fest Sukkot in Jerusalem eingezogen und am Fest Simchat Tora gestorben, am Tag der Feier des Wortes Gottes. Mir geht bei solchen neuen Zusammenhängen immer das Herz auf…!

Gepilgert wurde aber auch schon lange vor dem Judentum. Die Ägypter pilgerten, zum Beispiel zu ihrem Pharao, der gottähnlichen Status hatte. Oder sie machten sich mit einem Gott auf den Weg, damit dieser einen anderen Gott besuchen konnte. Er wohnte dann einige Zeit dort, bevor er wieder in sein eigenes Daheim zurück kehrte.

ägyptische Prozession mit Amun-Re

Das Bild an der einen Wand zeigt eine solche Prozsession. Männer tragen eine Barke, darauf ist eine Art Kasten, in der sich Amun-Re befindet. Er ist auf dem Weg an den Nil zur Nilpferdgöttin Opet. Zusammen sollen sie dafür sorgen, dass der Nil steigt und die Ebene fruchtbar macht! Ein grosses Pilgerfest für das ganze Volk!

Florian erklärte, dass es womöglich so ähnlich war mit dem Tempel in Jerusalem. Da stand schon ein Tempel für den dortigen Sonnengott. Salomo baute eine Kapelle an für seinen Gott, der dort vorerst nur zu Gast war. Erst später, mit der Reform des Joschija, wird Jahwe zum einzigen Gott erhoben, erst ab da gehörte der Tempel ganz ihmt.

Und wer beim Bild mit der Barke vielleicht spontan an den Zug des Volks Israel mit der Bundeslade durch die Wüste denkt, liegt nicht so falsch. So ähnlich muss die Bundeslade, in der sich ja das Göttliche verbarg, transportiert worden sein, auf zwei langen Stangen, natürlich ohne die Barke. Ja, auch die lange Wanderschaft durch die Wüste war eine Pilgerreise. Mose bittet den Pharao, ihn mit seinem Volk 3 Tage in die Wüste ziehen zu lassen, um seinem Gott ein Opfer zu bringen und ein Fest zu feiern. Dass die Reise 40 Jahre dauern würde, damit hat er wohl kaum gerechnet.

 

das „goldene“ Kalb

In einem der Schaukästen ist ein Kalb (ungefähr Handteller gross) zu sehen. So ungefähr muss man sich das Goldene Kalb vorstellen, das die Israeliten in der Wüste gemacht haben. Das Kalb ist ein Prozessionskalb, ein Gott, den man mitnehmen kann. Die Israeliten – aus Ägypten kommend – haben also nicht etwas neues erfunden, sondern, ganz ägyptische Tradition, einen Gott gegossen, der sie beschützt und den sie auf ihrer beschwerlichen Reise mitnehmen können. Sie müssen sich sehr gottverlassen gefühlt haben, Mose seit Wochen verschwunden, im Lager möglicherweise Hunger, Durst, Ärger, Streit…

Was auffällt: Gott, die Götter waren viel unterwegs! Ich muss da an die Szene mit Mose in der Wüste denken, als er Gott nach seinem Namen fragt. In der Regel wird Gottes Antwort übersetzt mit „Ich bin der ich bin da“. Klaas Hendrikse übersetzt das  mit „Geh, und ich geh mit dir“. Ich finde das schön, es stimmt für mich und es passt wunderbar zu dieser Pilgerausstellung!

Dem Göttlichen nahe sein, ist schon immer Wunsch der Menschen, egal welcher Religion. Das Göttliche kann aber auch gefährlich sein. Davon zeugen ja auch etliche Bibelstellen. Man nähert sich Gott nicht einfach so. Man kann ihn nicht ansehen, ihn nicht berühren. Nur der Hohepriester darf ins Allerheiligste, und das auch nicht alle Tage, sondern einmal im Jahr, am Versöhnungstag (Jom Kippur)! Klar, dass die Menschen lange Pilgerwege auf sich nehmen, um an diesen speziellen Tagen da zu sein, dem Göttlichen nahe. Der Versöhnungstag sei übrigens erst seit dem Aufkommen des Christentums der wichtigste Feiertag der Juden. Als Christin kann ich gut verstehen, warum!

Wir verbrachten so viel Zeit im Orient, in Ägypten und mit den Israeliten, dass es dann plötzlich im Schnellzugstempo noch durch Griechenland und die Zeit der Römer ging. Denn natürlich pilgerten auch die Griechen zu und mit ihren Göttern, ebenso wie die Römer.

Die Zeit vergeht immer viel zu schnell in diesem Museum. Viel zu rasch müssen wir  auch diesmal wieder zurück ins Jahr 2019. Und wenn wir nächstes Mal irgendwo hin pilgern, denken wir an diesen interessanten Nachmittag und wissen uns in einer jahrtausende alten Tradition gut aufgehoben.

Ganz herzlichen Dank für den spannenden Nachmittag, lieber Florian!

à suivre… Fortsetzung folgt! Ja, wir kommen wieder!

 

Text und Bilder: Barbara Fleischmann

 

 

Beim Mittagessen
Beim Mittagessen
Beim MIttagessen
Beim MIttagessen
auf dem Weg zum Museum
auf dem Weg zum Museum
auf dem Weg zum Museum
auf dem Weg zum Museum
Pilgerbilder
Pilgerbilder
Prozession in Ägypten
Prozession in Ägypten
das goldene Kalb
das goldene Kalb
Pilgern nach Rom
Pilgern nach Rom