Am 5. Juli trafen sich über zwanzig Freundinnen und Freunde in Einsiedeln, um unter kundiger Führung von Pater Alois Kurmann die Klosterbibliothek anzuschauen und natürlich auch um sich wieder einmal zu sehen.

Wer wollte, konnte bereits um 11 Uhr am Pilgergottesdienst teilnehmen, der von Pater Alois geleitet wurde. Wer dabei war, kam in den Genuss einer sehr guten Predigt, in der es um Werte, vor allem christliche Werte und insbesondere um Ehrfurcht ging. Ehrfurcht heisse nicht, sich vor andern niederzuwerfen, sondern sich hinzustellen und sich für andere / für Gott einzusetzen. Ezechiel fiel vor Gott „aufs Gesicht“, wurde von diesem aber aufgefordert, aufzustehen damit Er mit ihm reden könne (Ez 1,28-2,5). Keine Ehrfurcht zeigten die BewohnerInnen von Nazareth Jesus gegenüber, er ist doch nur der Zimmermann, der Sohn der Maria, der Bruder des Jakobus, des Judas und Joses… (Mk6,1-6). In aller Kürze auf den Punkt gebracht: Echte Ehrfurcht kostet etwas und ist darum Wert-voll!

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Wertvoll war auch das ausgezeichnete Mittagessen im Restaurant Klostergarten (es kostete ganz schön was 😉 und selbstverständlich, oder erst recht und immer wieder, die Begegnungen und Gespräche am Tisch.

Ein wertvoller Mensch, Pater Kassian Etter, der uns eigentlich durch den Tag hätte begleiten sollen, verstarb unerwartet am 3. März. Unser Präsident, Alois Schaller, las zur Erinnerung an Pater Kassian einen Abschnitt über Pater Kassian aus Thomas Hürlimanns Buch „Der Sprung in den Papierkorb“ vor. Für alle Nicht-Eingeweihten: Pater Kassian war Thomas Hürlimanns und auch Alois Schallers Physiklehrer, als die beiden in Einsiedeln das Gymnasium besuchten.

Pater Alois Kurmann

Pater Alois Kurmann

Ebenso wertvoll – und keineswegs zweite Wahl – war die Anwesenheit von Pater Alois Kurmann, der es trotz vieler anderer Aufgaben übernommen hat, uns an Stelle von Pater Kassian die Bibliothek zu zeigen.

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Eine gewisse Ehrfurcht packt wahrscheinlich jeden, der nur schon vor der imposanten Fassade des Klosters steht, und erst recht, wenn ihm/ihr erlaubt wird, einen Blick in die sonst nicht so leicht zugänglichen Räume zu werfen. Pater Alois führte uns durch die langen Gänge des Gymnasiums, die still und verlassen wirkten – an einem Sonntag und zu Beginn der Sommerferien nicht anders zu erwarten. Laut hallten aber unsere Schritte und zu anderen Zeiten wahrscheinlich diejenigen von Dutzenden von Schülerinnen und Schülern, die normalerweise durch diese Gänge gehen, ruhig und ehrfürchtig wie wir – oder doch eher schwatzend, lachend, rufend, lärmend…?

An einem bestimmten Punkt liess Pater Alois uns halten und erklärte, dass die Bibliothek genau über uns liege, der ältere Teil über den anliegenden Schulzimmern, der knapp jüngere über dem Gang.

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Man hätte nämlich bald nach Fertigstellung der Bibliothek gemerkt, dass sie viel zu klein sei. Da habe man kurzerhand die Wand wieder heraus gebrochen – schöne Marmorsäulen stützen nun den Raum – und hätte den Gang zur Bibliothek dazu genommen.

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Vor der Bibliothek hängt ein Bild im Gang, das die Klostergebäude von oben zeigt. Anhand dieses Bildes erklärte uns Pater Alois, was sich wo befindet, und machte mit uns einen Schnelldurchlauf durch die Geschichte des Klosters.

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Die allererste Kommunität wurde im Jahr 948 gegründet, das heutige Kloster ist das fünfte. Im Hochbarock wollten die Einsiedler Mönche auch ein so prachtvolles Kloster, wie es sie an anderen Orten bereits gab. 22 Patres und ca. 15 Brüder wohnten damals in Einsiedeln. Das alte Kloster wurde Stück für Stück abgerissen und neu aufgebaut, begonnen wurde 1704, die Bauzeit dauerte ca. 50 Jahre.
Als Pater Alois ins Kloster eintrat, lebten ungefähr 200 Mönche in Einsiedeln, heute sind es noch 74, immer noch einige mehr als im 18. Jh. als das heutige Kloster gebaut wurde.

In Benediktinerklöstern sollte alles zum Leben Notwendige selber hergestellt bzw. produziert werden. Das war früher so und ist heute nicht anders. Früher wurden die Arbeiten alle von Brüdern erledigt, heute arbeiten 180 Angestellte auf den Betrieben des Klosters. Ein grosses finanzielles Problem.
Das Kloster besitzt viel Land, vor allem Landwirtschaftsland und Wald. Ca. 30 Pächterfamilien arbeiten auf dem klösterlichen Boden, in der heutigen Zeit auch ein grosses soziales Problem, denn kleinere Bauernbetriebe haben eine schwierige Zukunft.

Und jetzt kommen wir (endlich) in den Bibliothekssaal:

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Ein phantastischer Raum, hell, gross und – selbstverständlich – voller Bücher. Kleine, grosse und ganz grosse! Einige ganz kostbaren Ausgaben sind in Kästen hinter Glas ausgestellt, die „Massenware“ (Bücher von denen es noch mehrere Ausgaben gibt) – so Pater Alois – steht in den Gestellen. Immer wieder kommen Wissenschafter um sie zu konsultieren, denn was alt ist, ist längst nicht immer „out“.

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Ein besonders schönes Exemplar, gedruckt 1660 in London, mit Bibeltexten in verschiedenen Sprachen (Lateinisch, Griechisch, Hebräisch, Syrisch, Arabisch, samaritanisches Hebräisch) durften wir uns ansehen und ich bekam auch die Erlaubnis zu fotografieren (längst nicht selbstverständlich).

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arabisch

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hebräsich

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syrisch

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Selbstverständlich ist längst nicht alles was das Kloster an Büchern und Schriften besitzt in der Bibliothek zu finden. Ganz kostbare Bücher und Handschriften, Verträge, etc. werden im Archiv, an einem sicheren Ort aufbewahrt. Zu oft wurden diese Kostbarkeiten Opfer von Bränden, Kriegen und anderen Katastrophen, als dass sie heute noch praktisch ungeschützt „einfach so“ in der Bibliothek liegen würden.

Ich weiss nicht, wie es anderen ergeht, aber mich packt immer eine grosse Ehrfurcht, wenn ich so alte, wertvolle Bücher sehe und erst recht, wenn ich sie von so nahe sehe und sogar darin blättern darf! So eine Bibliothek ist für mich ein eigene Welt, ein Ort, an dem ich mich stundenlang aufhalten könnte, um die wundervollen Bücher anzuschauen, die prächtigen Handschriften zu betrachten, an jene zu denken, die sie (ab-)geschrieben oder gedruckt haben. Wie haben sie wohl gelebt? Haben sie mitgedacht beim Abschreiben? Und wie entstanden die so fremd aussehenden Bleisätze, die es ja für die oben abgebildeten Seiten brauchte? Und wie sind diese Bücher alle hier nach Einsiedeln gekommen? – Viele, viele Fragen, die in der viel zu kurzen Zeit nicht alle beantwortet werden konnten. Die eine oder andere Antwort findet sich aber sicher auf der Homepage des Klosters. Oder bei einem erneuten Besuch in der Stiftsbibliothek Einsiedeln!

Bericht und Bilder: Barbara Fleischmann

 

Leuchtstifte waren damals noch nicht erfunden, dafür wiesen Hände auf wichtige Textstellen hin!
Leuchtstifte waren damals noch nicht erfunden, dafür wiesen Hände auf wichtige Textstellen hin!