Die Kerzen traten in Streik, der Grund: sie kamen sich ausgenützt, betrogen vor. Siehatten sich zwar daran gewöhnt, Stimmung zu verbreiten unter Menschen, die sichkeine Gefühle leisten: sie hatten auch die Lieder akzeptiert, die Kerzenscheinund Herzilein aufeinander reimten.

 Als aber wieder einmal Weihnachten vor der Tür stand, als die Kerzen turmhoch aufgestapelt inden Regalen der Warenhäuser lagen, als eine Tafel aufgehängt wurde „kaufen Siesich Weihnachtsfreude – Kerzen im Discount“, da beschlossen sie den Streik: nurdort wollten sie brennen, wo Menschen sich nicht belügen. Und das Erlebnis, aufvielen Geschäftsfeiern, Parties, in Restaurants und Schulklassen, auf Geburtstagskuchenund Adventskränzen liessen sich die Kerzen wohl anzünden, gaben ein kurzesLicht, sahen sich die Gesichter und hörten die ersten Gespräche an, undplötzlich gingen sie aus.

Zuerst wussteniemand warum. Als man aber wahrnahm, dass bei Menschen, die sich lieben, dieKerzen nie auslöschten, da mochte man den Grund erahnen.

Josef Osterwalder