Szenische Lesung mit Tobias Grimbacher am 13. März im aki, Zürich.

Es kommt nicht sehr oft vor, dass eine schriftliche Arbeit für den Studiengang Theologie in Buchform veröffentlicht wird. Und wenn ein Kollege und Mitglied des Freundeskreises das schafft und zur Vernissage einlädt, dann ist es Ehrensache, dass wir das in unser Jahresprogramm aufnehmen.

Weil es nur einen Tag vor der Mitgliederversammlung war, hielt sich der Aufmarsch unserer Vereinsmitglieder in Grenzen. Umso wichtiger wäre jetzt ein guter Bericht über den interessanten Abend. Ich bin aber als Literatur- oder Theaterkritikerin leider völlig ungeeignet…

Tobias‘ Buch ist eigentlich ein Theaterstück. Darin kommen sieben Personen vor, die jeweils für eine breite Denkrichtung stehen. Die Personen sind: ein Barkeeper, ein Bischof, ein Freidenker, ein Mensch, ein Theologe und ein Wirtschaftsanalyst. Ein Sprecher ist zudem für den Prolog und den Epilog zuständig.

Ich habe das Buch gekauft – eine sehr gute Investition! – und erlaube mir nun, daraus zu zitieren um Euch «gluschtig» zu machen.

In der ersten Szene kommt der Freidenker (an der Vernissage eine Freidenkerin) in die Bar und möchte ein Plakat aufhängen «Es gibt wahrscheinlich keinen Gott… sorge dich nicht, und geniess das Leben.»

Barkeeperin und Freidenker im Gespräch

Barkeeper: Verzeihen Sie mir eine dumme Frage: «Geniesse das Leben» verstehe ich, aber: Was ist eigentlich «Gott», den es wahrscheinlich nicht gibt?

Freidenker: Wenn Sie das mit dem Geniessen verstehen, dann ist doch schon alles in Ordnung. Wieso wollen Sie sich für etwas interessieren, das es nicht gibt? Was Gott ist, hängt ganz vom Betrachter ab. Sehr oft ist Gott eine Verschleierungstaktik für Menschen, die nicht nachdenken wollen oder die nicht glauben, dass alles naturwissenschaftlich erklärbar ist. Gott sendet den Regen nach langer Dürre. Er straft mit Erdbeben. Er schleudert den Blitz. Oder er sit eine Verschleierungstaktik, weil jemand das eigentliche Wort nicht nennen will. Dann meint «Gott» das Leben selbst. Oder den Sinn. Oder den Zufall.

Barkeeper: Aber Leben und Sinn gibt es doch?

Freidenker: ja, nur: Wer «Gott» sagt, dem reicht das anscheinend nicht! Wenn Sie das Wort Gott hören, können Sie an dessen Stelle eigentlich immer ein anderes Wort setzen, das die betreffende Sache besser erklärt und begründet. Versuchen Sie das mal! Manche brauchen auch Gott, weil sie nciht wissen, woher wir kommen oder wohin wir gehen. Das wissen wir aber inzwischen von der Naturwissenschaft: Urknall und entropische Endharmonie.

Barkeeper: Entro… was für Harmonie?

Freidenker: Nach den Gesetzen der Physik nimmt die Entorpie, also die thermische Unordnung in einem abgeschlossenen System, zum Beispeil in unserem Universum, immer zu. Wenn Sie an einer Stelle Ordnung schaffen, müssen Sie Arbeit aufwenden, und das erzeugt inrgendwo anders ungeordnete Wärmebewegung,a lso gelich viel oder noch mehr Unordnung. Irgendwann wird das ganze Universum lediglich aus gleicmässiger Wärmebewegung bestehen, ungeordnet, aber widerspruchfrei; harmonisch.

Barkeeper: Kein Platz für Gott?

Freidenker: Kein Platz für Gott!

In der zweiten Szene kommt dann der Bischof in die Bar, später alle anderen Gesprächsteilnehmer. Die Diskussionen sind wirklich spannend! Jetzt, wo ich sie in meinem eigenen Tempo lesen kann, sehe ich viele Feinheiten in den Gesprächen, die mir am Abend selber entgangen sind.

Die ganze Truppe

Im Buch fügt Tobias zwischen den Szenen kleine Exkurse ein um das eine oder andere zu erklären, z.B. was man unter der Pascal’schen Wette zu verstehen hat, was die Tropen des Agrippa sind oder was das Münchhausen-Trilemma zu bedeuten hat, etc.

Das Buch endet mit einem Anhang, in dem Tobias die theologischen Deutungsmuster des Stücks erläutert und – was auch erwähnt werden soll: es beginnt mit einem Vorwort von Felix Senn, der mitgeholfen hat Tobias‘ Glauben und den meinen und den von ganz vielen von uns, mit seinen Vorlesungen in Fundamentaltheologie auf ein stabiles Fundament zu stellen. Ein zitierter Satz aus seinem Vorwort sei mein Schlusssatz: «Der erfahrene Theatermacher weiss, dass Dialoge, Sprechchöre und szenische Bilder uns Menschen auf einer viel tieferen Ebene anzusprechen vermögen, als jede noch so gewiefte Predigt und jedes noch so gründliche Fachbuch es jemals vermöchten.»

Wer es jetzt genauer wissen möchte:

Tobias Grimbacher
Über dem Wasser. Gottesfrage in zwei Akten.
Edition NZN bei TVZ, Zürich 2014
Preis: Fr. 19.80

ISBN: 978-3-290-20100-5

Buch

Bericht und Bilder: Barbara Fleischmann

Dieses Video stammt von der zweiten Lesung, die am 18. März 2015 im Pfarreisaal Allerheiligen in Zürich stattfand.