Der Ausruf «Was hast du da zu suchen?!» als rhetorische Frage verstanden, heisst doch im Klartext: «Da hast du überhaupt  nichts verloren!», im Sinn von «Da gehörst du gar nicht hin!»

Bezogen auf die beiden biblischen Geburtsgeschichten Jesu im Lukas- und Matthäus-Evangelium (die beiden andern Evangelisten, Markus und Johannes, berichten überhaupt nichts über die Kindheit Jesu) stimmt auch, dass Ochs und Esel an der Weihnachtskrippe nichts zu suchen haben – oberflächlich! Wir finden nämlich kein Wort von diesen beiden Tieren in den Weihnachtsevangelien. Und dennoch ist die Titelfrage «Was haben Ochs und Esel an der Weihnachtskrippe zu suchen?», biblisch begründet, zu beantworten mit: «ihren, bzw. unsern aller Herrn» und nicht mit: «da gehören sie gar nicht hin». Eigentlich müssen diese Tiere ihn gar nicht erst suchen. Sie haben ihn bereits gefunden: in der Krippe in Bethlehem! Und in diesem kleinen Kind ihren Herrn erkannt. Der Prophet Jesaja weiss nämlich: «Der Ochs kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn.» (Jes 1,3a). Den Tieren ist eben ein Gefühl von Zugehörigkeit und Orientierung eigen. Davon können wir Menschen nur lernen und beim Anblick eines neugeborenen Kindes ahnen, dass mit jedem neugeborenen Kind die Liebe Gottes in unsere Welt tritt.

In den ältesten Krippendarstellungen finden sich die in der Weihnachtsgeschichte zu kurz gekommenen Ochs und Esel auf den besten Plätzen, sind gar die Hauptfiguren. Auf den in den römischen Katakomben gefundenen Steinsarkophagen, in denen die Toten im 4. Jahrhundert beigesetzt wurden, sind die Tiere sogar noch näher bei Jesus als selbst Maria und Josef. Dann, erst im 7. Jahrhundert entstand das nicht-biblische, aber auf ein biblisches Prophetenwort (Jes 1,3a) begründete Pseudo-Matthäus-evangelium, in dem es heisst: «Maria legte ihren Knaben in eine Krippe, und Ochs und Esel beten ihn an. Da erfüllte sich, was durch den Propheten Jesaja verkündigt ist: ‚Der Ochs kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn’» (Kp. 14).

Am Heiligabend 1223 lädt Franz von Assisi zu einer Weihnachtsfeier in den Wald bei Greccio. Da steht eine Krippe, mit Heu gefüllt und Ochs und Esel werden herbeigeführt. Seit jener denkwürdigen Weihnachtsfeier gehören dank Franz gewissermassen Ochs und Esel zum «Krippen-Personal», das bis heute ganz selbstverständlich zu unserer traditionellen Weihnachtskrippe dazugehört und nie fehlt.

Welche Wertschätzung wir einem Esel gegenüber entgegenbringen, verrät normalerweise schon die Redeweise, wenn wir einen Menschen mit Esel titulieren. Gilt doch dieses Tier bei uns (eigentlich ganz zu Unrecht) als dumm, blöd, faul und störrisch.

Die Israeliten gaben aber selbst ihren Liebsten, den eigenen Kindern, den Vornamen Chamor, das hebräische Wort für Esel, weil seine Qualitäten sehr geschätzt wurden. Die knochenstarken Tiere können bis zu 100 Kilogramm Lasten tragen. Daher auch der Name «Starker Esel» eines Hyksosfürsten. Chamor hiess auch der Vaters Sichems (Gen 34,2) und als Auszeichnung wurden die Bewohner der Stadt Sichem «Eselssöhne» genannt. «Du Esel!» ist von daher für mich eher ein Kompliment als ein Schimpfwort.

Stellen Sie sich vor, der Papst radelt auf dem «Stahl-Esel» (lies: Velo) bei der UNO vor. (Vom gegenwärtigen Papst Franziskus könnte ich mir das gut vorstellen). Kopfschütteln, allenfalls ein Schmunzeln mag eine solche Vorstellung auslösen, denn wir wissen ja, wie die Grossen dieser Welt normalerweise öffentliche Auftritte zelebrieren.

Doch Jesus macht diese «Eselei» kurz vor seinem bevorstehenden Tod mit: Er zieht in Jerusalem auf einem Esel ein, nicht hoch zu Ross.

Der Esel im damaligen Palästina ist im Gegensatz zum Pferd, das sich leicht zum Krieg abrichten lässt, geradezu ein Friedens-Tier, das geduldig und anspruchslos seine Last trägt. Das Matthäus-Evangelium vom Palmsonntag nimmt mit einem Zitat aus der Schrift des Propheten Sacharja darauf Bezug: «Sagt der Tochter Zion: Sieh, dein König kommt zu dir. Er ist friedfertig und reitet auf einer Eselin»(Mt 21,5) und deutet Jesus so als Friedenskönig.

Weshalb der Esel ein Symbol des Friedens ist, begründet Jesaja damit: «Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig und reitet auf einem Esel. Ich vernichte die Streitwagen aus Efraim und die Rosse aus Jerusalem, vernichtet wird der Kriegsbogen. Er verkündet für die Völker den Frieden.» (Sach 9, 9f).

Es verwundert nicht, dass ausgerechnet ein Weihnachtslied den Text vom Propheten Sacharja aufnimmt «Tochter Zion, freue dich… Sieh, dein König kommt…der Friedensfürst…reitet auf dem Eselein». Verheissen nicht die Engel den Hirten: «Ich verkünde euch eine grosse Freude (…) Heute ist euch (…) der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr (…) Friede den Menschen auf Erden.» (Lk 2,10. 11. 14)?

Aufgrund seines störrischen Charakters taugt der Esel nicht zum Krieg. Sein Starrsinn wird aber an anderer Stelle der Bibel (Num 22,22-30) nicht getadelt, sondern als gottesfürchtig gelobt. Nur er sieht den Engel Gottes mit gezücktem Schwert, der dem Seher Bileam den Weg versperrt, damit er nicht in den Abgrund fällt. Der Esel erträgt gar geduldig Schläge von Bileam. Da öffnet Gott dem Esel den Mund, der jetzt reden kann, und dem Bileam die Augen, der erst jetzt erkennt, dass ihn der Esel, ein trittfester Spezialist für schwieriges Gelände, vor den tödlichen Gefahren gerettet hat.

Esel und Kinder haben ein hohes Sensorium für das Wesentliche von Weihnachten. Sie haben erkannt: Gottes Mensch gewordene Liebe auf Erden – sein grosses Ja zu uns Menschen – erhielt mit der Geburt Jesu, die wir an Weihnachten feiern, Hand und Fuss, hat ein menschliches Gesicht und ist uns Menschen und allen seinen Geschöpfen nahe. Das möge ab-schliessend eine kleine Weisheitsge-schichte verdeutlichen, deren Pointe ich P. Sébastien Charrière verdanke:

Er weiss, worauf es ankommt

Wie jedes Jahr zur Weihnachtszeit bestaunen Jonas und Lea-Marie die herrlich gestaltete Krippe und die grossen Figuren, die in der Kirche vor dem Altar kunstvoll aufgestellt sind.

«Welche Krippenfigur möchtest du am liebsten sein?» fragt Grossvater seinen Enkel.

«Der Esel» antwortet der achtjährige Knirps spontan.

Grossmutter kann Jonas gerade noch festhalten, der schnurstracks ganz nahe zum Christkind und Esel an die Krippe springen will.

«Warum möchtest du ausgerechnet der Esel sein und nicht einer der drei Könige da hinten in den prächtigen Gewändern und kostbaren Geschenken?» wundert sich Grossvater.

Schlicht, aber überzeugt und mit grösster Selbstverständlichkeit meint Jonas nur: «Der Esel ist doch am allernächsten beim Jesuskind an der Krippe, das so sehr unserer neu geborenen Cousine Alina-Marie gleicht!» – Ist doch logisch! – oder?

 

Alois Schaller, Gossau

Diözesanpräsident Schweizerisches Katholisches Bibelwerk