«… weil in der Herberge kein Platz für sie war.»

(Lk 2,7)

Grosspapi, erzähl doch von Früher! Waren die Leute vor 40 Jahren frommer als heute? Die Kirche während der Gottesdienste ist doch jetzt fast leer.

Nein, das stimmt so nicht! Vor vierzig Jahren musste man wohl mindestens eine halbe Stunde vor Beginn der Weihnachts-Mitternachtsmesse in der Kirche sein, um noch einen Sitzplatz zu erwischen. Heute kannst du dir tatsächlich noch einen Platz aussuchen, wenn du auch fünf Minuten zu spät kommst.

Was macht denn Fromm-Sein aus?

Sicher nicht allein der Gottesdienstbesuch, der früher ungefragt und selbstverständlich war. Es ist das Leben, der gelebte Glauben und weniger das ‘Glauben an etwas’ oder wie es Albert Schweitzer einmal formulierte: «Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht.»

Was heisst das konkret für Weihnachten?

Das beginnt schon mit der Vorbereitung auf Weihnachten in der Adventszeit. Die ist heutzutage durch eine geschäftige Hetze geprägt, einem Weihnachtsrummel. Geschenke werden zum Wichtigsten und die Erwartungen an Weihnachten sind dann erst erfüllt, wenn alle Wünsche unter dem Weihnachtsbaum liegen. Das Weihnachtsfest ist weitgehend aus den religiösen Zusammenhängen herausgelöst und wird als Licht- und Familienfest gefeiert. Und das, was wir an Weihnachten eigentlich feiern, wird gar nicht mehr gewusst: die Geburt Jesu! Es herrscht eine regelrechte Weihnachtsinflation: Ganz am Rande Gottes Sohn!

Hat denn Weihnachten vor zweitausend Jahren auch etwas mit der heutigen Zeit zu tun?

Ich erzähl dir eine Begebenheit aus dem Jahr 1989. Ich telefonierte mit der Redaktion einer hiesigen Tageszeitung. Die haben dann einen Artikel publiziert mit dem Titel «Bethlehem in Gossau». Wörtlich hiess es da: «Ein Ehepaar, die Frau schwanger, ist auf der Suche nach einer Herberge. Türkische Asylbewerber suchen dringend eine Unterkunft. Die Beratungsstelle für Familienplanung St. Gallen ist mit einem Hilferuf» namentlich an mich «gelangt». Dann wurde meine Telefonnummer angegeben.

Wie ist das ausgegangen?

Ich bekam beschimpfende Telefonanrufe, wie: «Bist du der Mistkerl, der will, dass wir Schweizer das ‘fremde Pack’ durchfüttern sollen?»

Ging es nicht gut aus?

Doch – ausgerechnet die Wirtin der ersten Bar hier, meldete mir, dass sie in ihrem Wohnhaus Platz für die Herbergssuchenden habe und nahm sie auch auf.
Ist deine Anfangsfrage damit beantwortet?